Blick in den Braukessel: Bier-Erlebniswelt im Zillertal
Seit mehr als 500 Jahren wird in Zell am Ziller Bier gebraut. Wir haben den Rundgang durchs „BrauKunstHaus“ von Zillertal Bier für euch getestet. Das Bier natürlich auch.
Wir befinden uns im Jahre 2022 nach Christus. Ganz Österreich ist von einem großen Braukonzern besetzt. Ganz Österreich? Nein! Ein von unbeugsamen Zillertalern bevölkertes Dorf hört nicht auf, Widerstand zu leisten. Die Brauerei „Zillertal Bier“ ist seit sechzehn Generationen in Familienhand und hat ein gutes Dutzend Bierspezialitäten im Braukessel. Viele davon sind preisgekrönt. Das berühmteste Produkt nennt sich „Gauderbock“ und ist mit 7,8 % vol. das stärkste Festbier des Landes.
Gauderbock: Das hochprozentige Bier wird beim traditionellen „Gauderfest“ ausgeschenkt.
Digital-sensorischer Rundgang
Bereits beim Neubau der Brauerei im Jahr 2012 wollte Geschäftsführer Martin Lechner Bierliebhaber:innen einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Ein paar Jahre später ist Tirol mit dem „BrauKunstHaus“ nun um eine Attraktion reicher. Das einzige Problem: Schon am Eingang überkommt mich ein leichtes Durstgefühl.
Sofort fällt auf, dass sich hier jemand richtig Mühe gegeben hat. Zillertal Bier blickt auf 500 Jahre Braugeschichte zurück, so sind es die Ahnen der Besitzerfamilie, die als Hologramme durch die Ausstellung führen. Sei es auf Deutsch oder Englisch, stets blitzt ihr Tiroler Zungenschlag durch. „Ganz bewusst, damit es authentischer klingt“, sagt Philipp Geiger, einer der Köpfe hinter dem BrauKunstHaus.
Die Ahnen führen als Hologramme durch die Erlebniswelt.
Hopfen und Malz, Gott erhalt’s
Hopfen, Getreide, Hefe und Wasser sind die Zutaten für die Bierherstellung. Jedem Bestandteil ist deshalb eine „Insel“ im ersten Raum gewidmet. Hier ergänzen sich digitale Elemente mit sensorischen. Auf dem Hopfen-Eiland etwa können die Nuancen verschiedener Hopfensorten erschnuppert werden. Beim Malz lerne ich die „Fisser Imperial Gerste“ kennen – ein Tiroler Urgetreide, das beinahe in Vergessenheit geraten war und nun wieder im ganzen Land angebaut wird.
Hopfen, Getreide, Hefe und Wasser: Jeder Bier-Zutat ist eine eigene „Insel“ gewidmet.
So viele Biersorten, so viele Nuancen im Geschmack gibt es zu entdecken.
Von Pils über Bock bis zum Weizenbier: An der nächsten Station erfahre ich Details zu den Bierstilen dieser Welt. Nun fühle ich mich so schlau wie ein Braumeister, aber langsam bekomme ich richtig Durst. Weiter geht es mit aufwändig animierten Einblicken in die Braukessel im Sudhaus, danach darf man beobachten, wie die Flaschen im Sekundentakt mit Zaubertrank befüllt werden.
Aufwändige Animation zeigen, was innerhalb der Gärtanks vor sich geht.
Kurzer Weg zur Nachhaltigkeit
Umweltschutz ist der Brauerei ein großes Anliegen, was auch in der Erlebniswelt thematisiert wird. So wird das Bier ausschließlich in Mehrweggebinden verkauft, selbst die Etiketten sind kompostierbar und kein Kunde ist weiter als 100 Kilometer entfernt. Da die Bierherstellung energieintensiv ist, werden die Ressourcen so effizient wie möglich genutzt. Für seine Vorreiterrolle in Sachen Nachhaltigkeit wurde Zillertal Bier für den Tirol Change Award nominiert.
Abfüllanlage. Die Besucher:innen sind mitten im Geschehen.
Das Zillertal – ein besonderer Ort
„Kommt jetzt endlich die Verkostung?“, fragt sich der Kulturbanause in mir. Mein wissbegieriges Ich freut sich hingegen über einen interessanten Ausstellungsraum zum Zillertal. Der besondere Menschenschlag, der ungewöhnliche Dialekt und die musikalische Geschichte stehen hier im Zentrum.
So spannend das alles ist, meine Kehle ist jetzt auf Sahara-Niveau. Gerade noch rechtzeitig führt mich mein Begleiter ins Allerheiligste der Brauerei: In einem großzügigen, mit hellem Zirbenholz ausgestatteten Verkostungs-Bereich kann man sich durch das komplette Sortiment probieren. So muss sich Carrie Bradshaw in einer Mailänder Schuhboutique fühlen.
Der Höhepunkt der Tour: Der Verkostungsraum im BrauKunstHaus.
Biergenuss ohne Kopfweh
Je nach Paket sind ein bis drei Biere im Eintritt inkludiert, alle weiteren Spezialitäten können zu günstigen Preisen verkostet werden. Das lohnt sich allemal, ist Zillertal Bier doch für seine ungewöhnlichen Kreationen bekannt. So gibt es etwa Biere, die im Barriquefass veredelt und in Sektflaschen abgefüllt werden. Mein persönlicher Favorit ist jedoch das süffige Zwicklbier aus Fisser Imperial Gerste. Fachkundige Beratung gibt es natürlich auch dazu.
„In großen Brauereien wird ein Bier in der Regel in zehn Tagen hergestellt. Bei uns dauert das mindestens acht Wochen. Je länger der Prozess, desto edler ist das Bier. Das verhindert übrigens auch Kopfweh am nächsten Tag“, erzählt Philipp Geiger. Alles nur plumpe Werbung, denkt ihr euch jetzt vielleicht. Aber damit wir uns richtig verstehen: Der Unterschied zwischen Industriebier und dem Gerstensaft aus dem Zillertal ist in etwa so, wie der zwischen Tiefkühl-Kaiserschmarrn und dem an Omas Küchentisch. Na dann Prost!