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Ein Wochenende im Boutiquehotel Rattenberg

Aktualisiert am 03.11.2022 in Familie, Fotos: Jörg Koopmann

Blick aus dem Fenster des Erzherzog Leopold Zimmers auf die Fußgängerzone in Rattenberg.Blick aus dem Fenster des Erzherzog Leopold Zimmers auf die Fußgängerzone in Rattenberg.

Wer in Tirol übernachtet, landet in einem Hotel, einer kleinen Pension oder einer einfachen Hütte. Das stimmt – wenn man es möchte. Doch es gibt auch ganz andere, unerwartete Herbergen im Land. Zum Beispiel das „Boutiquehotel Rattenberg“. Eine Familie hat einen Citytrip in die kleinste Stadt Tirols unternommen.

Vielleicht zehn Sekunden, länger hält die Kleine es nicht aus. Wir sind gerade erst mit dem Koffer über das Kopfsteinpflaster der Fußgängerzone gerattert, haben die schwere Holztür zum „Boutiquehotel Rattenberg“ aufgestoßen und sind den Gang zur Rezeption entlanggelaufen. Keine Zeit, auf die Wände zu achten, die auf der einen Seite mit glattem Beton und hohen Glasfronten verlaufen und auf der anderen Seite eine Jahrhunderte alte, unverputzte Wand mit altem Gestein zeigen. Stattdessen stehen wir vor der Rezeption, und noch vor der Begrüßung will die Vierjährige sofort wissen: „In welchem Zimmer schläft der Geist?“

Rattenberg

Meine Frau und ich seufzen, Barbara Simmer, die Chefin des 2022 eröffneten Hotels, lächelt und antwortet: „Der Geist? Der schläft jede Nacht in einem anderen Zimmer, aber der ist sehr nett und zurückhaltend, da muss man keine Angst haben.” Zufrieden nickt unsere jüngere Tochter.

Und ganz im Ernst: Der Geist hat natürlich Recht. Wieso sollte er sich auf eins der insgesamt neun Apartments festlegen, die nach historischen Personen aus der Rattenberger Geschichte benannt sind? Sie sind allesamt groß, geräumig, aufwändig renoviert und legen überraschend einen Gegensatz offen, der eigentlich nicht funktionieren dürfte, es aber erfolgreich tut: Wie die mittelalterliche Substanz des Gebäudes bewahrt werden kann und gleichzeitig mithilfe von offenem Beton und minimalistischer Möblierung ein Ort entsteht, der so einladend ist, dass unsere ältere Tochter sofort mit all ihren Comics Teile des riesigen Ledersofas in unserem großen Apartment in Beschlag nimmt und bald gar nicht mehr aufstehen will.

Die Gemäuer des "Boutiquehotel Rattenberg" stammen aus dem 10. Jahrhundert. Die Gemäuer des "Boutiquehotel Rattenberg" stammen aus dem 10. Jahrhundert. 

Rattenberg

Dieses Runterkommen ist gar nicht so einfach.
Alexander Runte

Das passt auch zu dem Plan, den wir haben: kurz aus der Stadt raus, Kindergarten, Schule, Arbeit, den so genannten Alltag, mal vergessen und einfach zur Ruhe kommen. Wobei das so einfach gar nicht ist. Dieses Runterkommen. Gerade wenn man sich vorgenommen hat, gar nicht zu viel machen, sondern sich treiben zu lassen. Ein bisschen wandern, ein bisschen schauen, was diese kleine Stadt Rattenberg ausmacht, die anders ist als das, was wir bisher in Tirol kennen.

Und möglichst viel Zeit auch einfach im Hotel verbringen, dessen älteste Grundmauern (alte Ställe, in der nun die Rezeption ist) bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen. Das entdeckten Simmer und ihr Partner, als sie das Gebäude 2019 kauften und es eigentlich zur Vermietung renovieren wollten. „Überall tauchten Decken aus dem 14. Jahrhundert auf oder noch ältere Wandmalereien – unmöglich, das guten Gewissens zu vermieten”, sagt Simmer.

Früher war das Boutiquehotel ein Stall Früher war das Boutiquehotel ein Stall 

Sie beschlossen, in Österreichs kleinster Gemeinde mit Stadtrechten – Rattenberg mit seinen 434 Einwohnern auf 0,11 Quadratkilometern ist exakt ein Viertel so groß wie der Vatikan – ein Hotel zu bauen. Dabei setzten sie darauf, modernen Luxus (in der obersten Suite gibt es neben Wintergarten und zwei Dachterrassen auch eine eigene Sauna) mit der langen Geschichte zusammenzubringen, die einem überall in Rattenberg begegnet.

Im Berg-Keller des Restaurants Malerwinkel speist man am Steilhang).Im Berg-Keller des Restaurants Malerwinkel speist man am Steilhang).

Bewundernswert ist dabei vor allem die Eleganz, mit der die alten, offenen Wände gleichzeitig inszeniert, aber auch subtil mit indirektem Licht und einer Mischung aus Hightech-Elementen, Vintage-Möbeln und uralten Elementen wie dem Bauernschrank zusammengebracht wurden, auf dessen Innenseite noch alte religiöse Motive auf vergilbtem Papier zur Andacht geklebt sind.

Doch das Spektakulärste ist die Selbstverständlichkeit und Herzlichkeit, mit der Simmer nicht nur Geisterfragen begegnet, sondern sich um alles kümmert, was ihre Gäste brauchen. Als im Sommer etwa das Gepäck einer Familie aus den USA am Flughafen verloren ging, nahm Simmer die Wäsche von allen einfach mit nach Hause und wusch sie immer wieder, bis die Koffer nach ein paar Tagen wieder auftauchten.

Und was macht man, wenn man gerade nicht in diesem ganz besonderen Haus verweilt? 1254 erstmals urkundlich erwähnt, diente Rattenberg, gelegen am rechten Ufer des Unterinntals, lange als Zollstelle zwischen Tirol und Bayern. Der mittelalterliche Kern unterhalb der Burgruine steht unter Denkmalschutz und wurde zur Fußgängerzone umgestaltet. Dicht aneinander stehen dort Läden, die Steine, Kristalle oder Glashandwerk an die Tagestouristen verkaufen, die nach Rattenberg kommen.

Rattenberg

In einem kleinen Feinkostgeschäft, das am Ortseingang direkt in den Fels gehauen wurde, gibt es Tiroler Prügeltorte – die ihren gewalttätigen Namen daher hat, dass der Teig beim Backen auf einem Pergamentpapier an einem Holzprügel gedreht wird –, Haselnussgeist oder herrlichen Schinken.

Unsere beiden Mädchen interessiert dagegen vor allem die Brunnen-Challenge, von der Barbara Simmer erzählt hat: Insgesamt 27 Brunnen stehen zum Teil in den Hausmauern versteckt in der Stadt, und wir wollen sie alle finden. Wir laufen von Haus zu Haus, von der Bienerstraße über die Südtiroler Straße bis zum großen Brunnen vor dem „Gwiggner”, einer Weinstube, die ähnlich wie das Boutiquehotel versucht, Rattenberg behutsam zu verjüngen. Nach 13 Brunnen sind uns die Restlichen aber schon ein bisschen egal und wir gehen erstmal draußen im „Gwiggner“ essen.

27 Brunnen, teilweise versteckt, gibt es in Rattenberg.27 Brunnen, teilweise versteckt, gibt es in Rattenberg.

Sonst gibt es auf gute Weise nicht viel zu tun in Rattenberg. Kein FOMO, keine Angst, irgendwas zu verpassen, was sehr schnell ein sehr beruhigendes Gefühl erzeugt. Wir beschließen, Simmers Rat zu folgen, und zur Tiefenbachklamm zu fahren, eine kleine, entspannte Wanderung, die auch für Kinder gut machbar ist („Bloß keine Flip-Flops anziehen”, hatte uns Simmer gewarnt). Der Weg führt einige Zeit lang durch den Wald entlang des Bachs, bis wir uns dann an den Felsen vorbeischieben, um auf eine kleine Plattform zu kommen, auf der wir unter uns das Wasser tosen hören.

Start ins Abenteuer: Die TiefenbachklammStart ins Abenteuer: Die Tiefenbachklamm

Rattenberg

Als wir zurückkommen, verlassen die letzten Autos und Busse die beiden Parkplätze am Rand von Rattenberg. Am späten Nachmittag schließen auch die Geschäfte, die Eisdiele und das Wirtshaus gehören nun den Rattenbergerinnen und Rattenbergern – und uns. Wir setzen uns im Zimmer ans Fenster, teilen uns eine Prügeltorte und schauen zu, wie es fast überall dunkel wird.

Als wir durch die Altstadt schlendern, merken wir endlich, was das Besondere von Rattenberg sein könnte:
Alexander Runte

Und während wir – nach einem hervorragenden Abendessen im Restaurant „Malerwinkel“ – durch die erleuchtete Altstadt die paar Meter zurück schlendern, merken wir endlich, was das Besondere an Rattenberg sein könnte. Es liegt nicht nur an dem Gespür, aus Tradition und Moderne etwas Neues zu erschaffen, was so nur hier gelingen konnte. Sondern es hat auch mit der behaglichen, Zen-haften Ruhe zu tun. Die auf gute Art spartanische Einrichtung im Hotel, die klaren Linien, die Menschen, die irgendwann verschwinden, das ist das eigentlich Verrückte. Denn es funktioniert sofort. Dieses seltsam weiche Gefühl von Erholung überfällt uns nach nur kurzer Zeit. Und zwar so schnell, dass wir alle vier, sobald wir im Bett liegen, einschlafen. So tief und fest, dass wir den Geist, wenn er die Nacht bei uns im Zimmer gewesen wäre, niemals bemerkt hätten.

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