Ausgezeichnete Bio-Hotels mit regionaler Küche und Natur-Wellness.
Biohotel Grafenast: Wo Nachhaltigkeit mehr als ein Schlagwort ist
Naturmaterialien treffen auf modernes Design. Foto: Charly Schwarz
Ins „Hotel Grafenast“ verirrt man sich nicht zufällig. Dorthin zu fahren, erfordert eine bewusste Entscheidung. Wer nicht mit dem Zug bis Jenbach und dann mit dem Taxi-Shuttle oder dem öffentlichen Bus anreist, erlebt die erste Nagelprobe, ob das Grafenast zu ihm passt — und umgekehrt! —, bereits bei der Anfahrt. Auf über 1300 Meter hinauf schlängelt sich eine Bergstraße nach Pillberg. Am Ende der Straße steht das Grafenast. Danach kommt nichts mehr außer der Einstieg zum Kellerjoch-Skigebiet. Oben angekommen ist man also bereits heruntergekommen vom Stress und den Überforderungen des normalen Lebens. Oder ein wenig genervt und erst recht bereit für den sehr speziellen Mikrokosmos Grafenast.
Einmal angekommen wird man mit einem Mix aus Tradition und Moderne begrüßt. Foto: Charly Schwarz
„Entschleunigend!“ Peter Unterlechner zögert keinen Augenblick, um das eine Wort zu finden, das sein Hotel am treffendsten charakterisiert. „Es ist eine Kombination aus diesem Ort, unserer Philosophie und den Menschen, die den Ort beleben. Das schreibst du ja so nicht in einen Prospekt, aber das ist unser größtes Talent, und das ist es auch, was die Gäste spüren.“
Eine Sache des Hausverstands
Dass Stichwörter wie „biologisch“ und „nachhaltig“ mittlerweile schick sind und die Größe des ökologischen Fußabdrucks zur moralischen oder gar ethischen Frage stilisiert wurde, „spielt uns sicher in die Hände“, räumt der Hotelier unumwunden ein. „In letzter Zeit ist das Wort halt modischer geworden, aber für meinen Urgroßvater war Nachhaltigkeit eine Sache des ganz normalen Hausverstands. Es bedeutet doch nichts anderes, als in Generationen zu denken und Verantwortung für die ökonomische, ökologische und soziale Dimension zu fühlen, die durch mein Handeln beeinflusst werden. Heutzutage wird der Begriff zwar auch oft dafür verwendet, gar nicht nachhaltige Dinge grün zu waschen, aber insgesamt sehe ich die Entwicklung durchaus positiv.“
Peter Unterlechner und seine Frau Waltraud führen das Biohotel bereits in dritter Generation. Foto: Charly Schwarz
Der erwähnte Urgroßvater, in der Region unter dem Namen „Rodel-Toni“ bekannt, hatte keine Ambitionen, den ihm vorgezeichneten Weg zu gehen und die familiäre Gerberei zu übernehmen. Er errichtete auf halber Höhe zwischen Inntal und Kellerjoch eine „Rodelhütte“, eine Jausenstation, die es ihm ermöglichte, seine Leidenschaft fürs Skifahren und Bergsteigen mit einem Broterwerb zu verbinden. Bis Mitte der Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts war die Hütte bereits zu einem stattlichen Hotel mit 80 Betten angewachsen. Sämtliche Umbauten, die drei Generationen Unterlechners seither vorgenommen haben, gruppieren sich um die alte Rodelhütte, die heute noch der zentrale Raum des „Bio Aktiv Hotels“ mit übrigens nur noch 23 Zimmern ist.
In vielen Teilen des Biohotels spürt man noch die Spuren der Vergangenheit. Foto: Charly Schwarz
Eine entscheidende Phase für das Grafenast und die gesamte Region waren die frühen Achtzigerjahre. Damals beschloss die Gemeinde gegen den vorherrschenden Trend im Land, nicht auf einen Ausbau der touristischen Infrastruktur zu setzen — „was die Verantwortung der einzelnen Hoteliers für ihre Betriebe gestärkt hat“, erklärt Peter. „Dass meine Eltern damals ihr persönliches Interesse an Ernährung und Gesundheit als Kernthema ins Haus gebracht haben, war die wesentliche Entscheidung für eine nachhaltige Entwicklung des Hauses.“ Und die Marke „Bio Aktiv Hotel Grafenast“ war geboren.
Vorreiter in den Achtzigerjahren
Peter hat eine einschlägige Ausbildung sowie Wanderjahre im Ausland absolviert und hätte sich „auch ohne Weiteres vorstellen können, am anderen Ende der Welt zu leben“. Die „Qualität des Daseins hier in Pillberg hat sich für mich erst im Laufe der Zeit herauskristallisiert“; was auch damit zusammenhing, dass Peter seine Ehefrau Waltraud traf und mit ihr zwei Kinder (Moritz und Rosa, beide Anfang der 2000er geboren) bekam. Dass ihn „das Hotelthema“ ein Leben lang beschäftigen würde, war Peter allerdings schon als Kind klar. „In den Ferien habe ich schon mit zehn, elf Jahren in der Früh allein die Bar betreuen dürfen. Diese Verantwortung war lässig für mich.“
Schon von Kind auf war das Hotel für Peter ein wichtiger Bestandteil seines Lebens. Foto: Charly Schwarz
Der Weg von ersten Bio-Versuchen bis hin zu dem Punkt, an dem das Grafenast heute steht, war lang und komplex. Das Restaurant, seit Jahren mit einer „Grünen Haube“ (ein österreichisches Zertifikat für vegetarische und vegane Küche) geschmückt, bietet zum allergrößten Teil Saisonales und Regionales in Bio-Qualität, zum Teil aus dem eigenen Garten, zum Teil aus der Landwirtschaft in der nächsten Umgebung.
Eins mit der Natur. Das hotel Grafenast fügt sich perfekt in die Umgebung ein.
Ein typischer Heizvorgang im Biohotel Grafenast. Foto: Charly Schwarz
Beheizt wird das mit zahlreichen Auszeichnungen bedachte Haus mit Hackschnitzeln, einen Teil des benötigten Stroms erzeugen die Unterlechners mit einer Photovoltaik-Anlage. Es gibt keine Fernsehgeräte in den Zimmern, W-Lan nur in einem einzigen Raum im Haus. Und esoterisch Interessierte unter den Gästen können sich dank geheimnisvoller Geräte, die Eletrosmog und sogenannte Erdstrahlen abschirmen sollen, sogar in dieser Hinsicht sicher fühlen.
W-Lan gibt es hier nur in einem Raum. Foto: Charly Schwarz
Auch die Zimmer zeugen von einer gewissen Klarheit, die zum Entspannen einlädt. Foto: Charly Schwarz
Reduktion auf das Wesentliche
Handfester und der Grund dafür, dass im Grafenast selbst die junge Schwedin mit dem strengen Gewissen völlig bedenkenlos ihr bezopftes Haupt zur Ruhe betten könnte, ist der Umgang mit CO2. Unterlechner: „Das System Hotel CO2-neutral zu führen, ist nicht möglich, aber auch gar nicht nötig. Wir haben uns zunächst über Jahre angeschaut, wo wir selbst CO2 reduzieren können: Das geht beim Energieverbrauch und den Wegen, die Menschen und Lebensmittel zurücklegen, los und reicht bis hin zur Müllentsorgung. Heute stehen wir bei 3,4 kg CO2 pro Gast pro Nacht. Das ist maximal ein Drittel von einem konventionellen Hotel.“ Und was nicht zu vermeiden ist, wird durch die Unterstützung eines Aufforstungsprojekts im Amazonas-Regenwald kompensiert. „Das passt zu uns“, lacht Peter. „Wir sind schließlich auch Waldmenschen.“
Naturmaterialien treffen auf modernes Design. Foto: Charly Schwarz
Was in näherer Zukunft ansteht? „Entreizung“, sagt der Hotelier. „Wir müssen uns immer stärker auf das Wesentliche reduzieren, immer leerer, klarer, basischer werden. Das ist unsere momentane Aufgabe.“
„Auf das Wesentliche reduzieren“ ist das Motto für die nächsten Jahre. Foto: Charly Schwarz
Die E-Mail-Adresse, unter der Interessierte das Grafenast kontaktieren, lautet [email protected]. Und das, Sehnsucht nämlich, ist es wohl auch, was die Familie Unterlechner in ihrem Hotel weckt. Beziehungsweise stillt. Die Sehnsucht nach Überschaubarkeit. Nach Nähe zu einer gesunden Natur. Und nach einer menschengerechten Lebensgeschwindigkeit.